Werbeaktionen um gewaltbereite Hooligans - Neonazis entdecken die WM
REPORT Mainz, Das Erste
Chemnitz in Sachsen. Inmitten von Plattenbauten ein Szenetreff für die harten Fußballfans. Markenklamotten, wie in einem normalen Sportgeschäft, heimlich gedrehte Aufnahmen, die uns zugespielt wurden.
Auffallend auf den Postern - der Schriftzug Hooligan. Zunächst scheinbar harmlos, doch über den Hintereingang geht es in einen härteren Szeneladen. Ganz offen im Sortiment: Kleidung, Aufnäher und Musik mit rechtsradikalen Inhalten.
Auch Hooligans, die noch nicht zur rechten Szene gehören, werden angelockt mit neuer Ware, eigens zur Fußball-WM produziert. Zum Beispiel dieses Hass T-Shirt gegen Nationalspieler Asamoah: Nein Gerald, du bist nicht Deutschland, du bist BRD.
Die Staatsanwaltschaft Chemnitz durchsucht seit Monaten solche Szeneläden. Vieles wird beschlagnahmt, denn im Vorfeld der Fußball-WM beobachten die Strafverfolger, dass massenhaft ausländerfeindliche Waren auf den Markt kommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere Unternehmer.
O-Ton, Bernd Vogel, Staatsanwaltschaft Chemnitz:
»Die Industrie, ich will es mal so bezeichnen, ist auch vorbereitet. Es ist zu erwarten, dass hier auch wieder das große Geschäft gemacht werden soll. Die Sachen sind produziert, sie liegen bereit, es kommen die Käufer.«
Schöner leben mit Naziläden heißt eine neue Initiative. Ihr gehören mehr als 60 Firmen an. Jetzt beginnt ihr großes WM-Geschäft. Willkommen in der Hölle 2006, und auf dem Rücken: 1939 wurde Polen in 28 Tagen besiegt, 2006 reichen 90 Minuten.
Mit ausländerfeindlichen T-Shirts wird wohl keiner in ein WM-Stadion gelangen, zu scharf sind die Kontrollen. Private Dienste und Polizeibeamte werden das Innere der Stadien mit einem Großaufgebot überwachen. Die deutsche Polizei steht mit ihren Kollegen im Ausland in engstem Kontakt. Denn auch aus Polen, England und Holland werden gewaltbereite Fans erwartet.
Doch die Hooligans, warnen die Polizeiexperten, werden trotzdem versuchen, sich anderswo zu sammeln. Ein Vorgeschmack: Der Aufmarsch von Fußballnazis vor wenigen Monaten im brandenburgischen Halbe.
In Berlin räumte die Polizei diesen rechten Fantreff. Bundesweit gibt es 10.000 gewaltbereite Hooligans, schätzt das Landeskriminalamt Düsseldorf. Die Gewerkschaft der Polizei weiß, dass nicht, wie hier, alle Schläger dingfest gemacht werden. Die harte Szene könnte im Umfeld der WM doch noch erscheinen. Eben auch Ultra-Rechte mit ihren ausländerfeindlichen Parolen.
Auch im Hauptquartier der rechtsextremen NPD bereitet man sich auf die WM vor. Pressesprecher Klaus Beier mobilisiert gerade intensiv. Im Ernstfall wollen er und seine Kameraden mit dem Wehrmachtshelm zur Weltmeisterschaft. Die Reihen fest geschlossen – das lässt das Nationalistenherz höher schlagen.
Die fremdenfeindliche Partei macht kräftig Werbung in eigener Sache. Mit einem nationalistischen WM-Planer. Danach sollen die Spieler der Nationalmannschaft nicht nur deutsch, sondern vor allem weiß sein. So schüren die Rechtsextremisten Hass vor allem auf Farbige im deutschen Fußball.
O-Ton, Klaus Beier, NPD:
»Hier glauben wir, allein schon wegen der Aufmachung, dass es also bei der Jugend sehr gut ankommen wird. Und wir dadurch auch wieder, ja, frische, junge Aktivisten in die Partei bringen können.«
Eine erste Version des NPD-WM-Planers wurde wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung beschlagnahmt und gerichtlich verboten. Sofort produzierte die NPD diesen neuen Planer.
O-Ton, Klaus Beier, NPD:
»Wenn dieser wider Erwarten eingezogen wird von der Staatsanwaltschaft, dann werden wir auch eine härtere Gangart einlegen müssen. Zumindest ein Kampf um die Straßen um das Stadion herum.«
Hier in Gelsenkirchen hat die NPD für den Tag nach dem WM-Auftaktspiel eine Kundgebung angemeldet. Vier weitere Aufmärsche bundesweit sind laut Verfassungsschutz während der WM geplant. Die neue Zielgruppe: unpolitische Fußballfans.
An sie will die NPD Hunderttausende ihrer nationalistischen WM-Planer verteilen. Rassistische Propagandaabseits der scharfen Kontrollen. Rechte Parolen zur WM kommen besonders bei den sogenannten Hools und Ultras an, der harten Fußballszene.
Der Fanforscher Gunter Pilz, von der Universität Hannover, stieß bei seinen Studien in vielen harmlosen Hooliganwebseiten auf aggressive Botschaften wie diese in einem Berliner Fußballforum:
Zitat:
»Ansonsten hoffe ich, dass man sich bei der WM 2006 sehr zahlreich versammeln wird, um den Volksschädlingen endlich das Maul zu stopfen.«
O-Ton, Prof. Dr. Gunter Pilz, Universität Hannover:
»Die Gefahr, die ich sehe, ist das vor allem junge, sehr junge Fans, 12-, 13-, 14-Jährige durch diese Maßnahmen und diese Aktivitäten der Rechten ein Stück weit in der Tat instrumentalisiert werden.«
Braune Hooligans gibt es nicht nur im Osten. Auch beim Vikinger-Versandhandel im bayerischen Geiselhöring bekommen die Fußballfans ultrarechte Ideologie zu kaufen. Heimlich gedrehte Aufnahmen am verkaufsoffenen Samstag.
Familienshopping für Neonazis und Hooligans. Wehrmachtskollektion und Schlägermode. Die braune Boutique stattet die Fußballfans zur WM aus. Und tatsächlich, die Kinder sind auch schon mit dabei. Teenies, Fußballfans und Hooligans – zur WM wollen die Rechtsextremisten sie vereinnahmen. Für ihren dumpfen Rassismus.
REPORT Mainz, Das Erste