Was hätte ich damals getan? Und bedeutet „Was tue ich heute?“ nicht in gewisser Weise dasselbe?

Was hätte ich damals getan? Und bedeutet „Was tue ich heute?“ nicht in gewisser Weise dasselbe?

Diese Fragen begleiten Matthias Brandt, Schauspieler und Sohn von Willy Brandt, sein ganzes Leben hindurch. Am 20.07.2025 hat die Süddeutsche Zeitung seine Rede zum Gedenktag des Attentats auf Adolf Hitler hier (SZplus) dokumentiert. 

Die Rede endet mit der folgenden bewegenden Würdigung der Arbeit und des Engagements von Schüler*innen im Rahmen von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, konkret der Schüler*innen am Einstein-Gymnasium in Potsdam, an der er Pate ist.


„Lassen Sie mich Ihnen, bevor ich zum Ende komme, noch kurz von ein paar jungen Menschen erzählen, Schülerinnen und Schülern des Einstein-Gymnasiums in Potsdam. Vor einiger Zeit kamen sie auf mich zu und fragten, ob ich sie unterstützen könnte – als Pate bei ihrer Bewerbung als Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Das sind beeindruckende junge Leute, klug, wach und engagiert. Sie machen nächstes Jahr Abitur und scheinen, vollkommen zu Recht, die Welt nicht unbedingt so akzeptieren zu wollen, wie wir sie ihnen übergeben. Diese Schülerinnen und Schüler, die freundlichsten Unruhestifterinnen übrigens, die man sich denken kann, wollen für andere einstehen, Haltung zeigen, sich engagieren gegen Ausgrenzung, gegen Diskriminierung und für eine offene Gesellschaft. Ich hörte ihnen zu – ich sah dabei in ihnen auch mein Kind, unsere Kinder – und dachte plötzlich: Ihr seid das. Ihr seid der nachträgliche Sieg, von dem mein Vater damals vor siebzig Jahren hier an dieser Stelle sprach.
Als ich nach unserem ersten Treffen das Schulgebäude verließ, nachdenklich und froh, blieb mein Blick an einer Gedenktafel hängen. Sie erinnert an Helmuth James Graf von Moltke, der – ein Jahrhundert zuvor – genau hier zur Schule gegangen war. Und wieder schien es, als würden sich Lebens- und Gedankenwege für eine Sekunde berühren. Meine Mutter hat mir durch ihr gelebtes Beispiel vieles beigebracht, sehr vieles. Auch dass man sich entscheiden muss – und dass es dazu manchmal keine zweite Gelegenheit gibt. Und fast noch wichtiger, dass Nichtstun ebenfalls eine Entscheidung ist. (Wie oft geht mir das in letzter Zeit durch den Kopf). Nämlich eine Entscheidung für das Wegschauen, für das Geschehen lassen. Sie sagte: „Man muss nicht laut sein, um standhaft zu sein. Es reicht, wenn man weiß, wer man ist – und auf welcher Seite man steht.“


Anschrift:

Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“
in der
Staatskanzlei des Landes Brandenburg
Heinrich-Mann-Allee 107
14473 Potsdam