„Keine neuen Baseballschlägerjahre“ : Gespräch mit Brandenburger Experte zum Überfall in Bad Freienwalde
Das Gespräch führte Thorsten Metzner vom Tagesspiegel am 18.06.2025.
Herr Roos, in Bad Freienwalde ist eine Demo für Vielfalt überfallen worden. Junge Vermummte, schwarz gekleidet, die wahllos auf Demonstranten einprügeln: Ist das eine neue Qualität rechtsextremer Gewalt?
Eine friedliche Demonstration mit jungen Menschen, mit alten Menschen wurde angegriffen. Dieser Angriff hat eine neue Qualität.
Können sich Menschen, die queer sind, die sich für Vielfalt engagieren, in Brandenburg noch sicher fühlen?
Solche Angriffe sind Anlass zur Sorge. Angst ist genau das, was Rechtsextremisten erreichen wollen, die mutmaßlich auch in Bad Freienwalde unterwegs waren und dort angegriffen haben. Es gibt aber einen anderen Effekt: Zugleich tritt eine Solidarisierung ein. Das macht Hoffnung.
Was meinen Sie damit?
Nach dem Überfall gab es am heutigen Montag eine Veranstaltung mit queeren Gruppen und dem Landrat Frank Steffen in Beeskow, auf der – nachdem zuletzt die Fahne gestohlen wurde – eine neue Regenbogenfahne gehisst wurde. Da waren um die 50 Leute da. Das ist ermutigend. Die Frage, die wir uns als „Tolerantes Brandenburg“ immer stellen: Kennen die Gruppen die Ansprechpartner in der Kommune, in der Zivilgesellschaft, die es im Land Brandenburg gibt, um sie zu unterstützen? Das ist in Beeskow und in Bad Freienwalde der Fall. Unser Thema bleibt, wie können wir die Toleranz in der Gesellschaft und das Sicherheitsgefühl vor Ort stärken?
Der nächste CSD ist in Eberswalde geplant. Was erwarten Sie dort?
Die Aufmerksamkeit für den CSD in Eberswalde wird nun sicher größer sein. Ich gehe davon, dass sich Menschen aus der Zivilgesellschaft und auch aus den Kommunen in der Region gerade jetzt überlegen, dort hinzugehen, sich zu beteiligen und solidarisch zu sein, auch wenn sie es vorher vielleicht nicht getan hätten.
Schon in den letzten Wochen gab es rechtsextreme Anschläge, etwa auf einen Jugendklub und ein alternatives Wohnprojekt in Cottbus. Erleben wir gerade den Beginn neuer Baseballschlägerjahre in Brandenburg?
Ich sehe Brandenburg nicht vor neuen Baseballschlägerjahren. Die queeren Communitys berichten uns, dass sie in der Regel nicht alleine stehen, dass sie Unterstützung vor Ort, auch durch Kommunalverantwortliche erleben. Das ist etwas, was sich gegenüber den Baseballschlägerjahren sicherlich positiv verändert.
Damals gab es eine Debatte um No-go-Areas. Wer sich links engagierte, tat in den 90er Jahren gut daran, bestimmte Orte im Land zu meiden. Nach Bad Freienwalde scheint das Land gar nicht so weit davon entfernt zu sein.
Die Lage ist aus meiner Sicht eine völlig andere als in den 90er Jahren, auch wenn solche Überfälle bedrückend sind. Verantwortungsträger haben heute diese Gefahren anders im Blick. Die Zivilgesellschaft ist anders aufgestellt. Bei Veranstaltungen sind Sicherheitspartnerschaften mit der Polizei heute unabdingbar und gesetzt. Es gibt eine starke Solidarisierung auch mit allen Gruppen, die von Rechtsextremen ins Visier genommen werden, die Druck erfahren. Das muss man wirklich hervorheben. Es wird sich nicht weggeduckt.
Sind die Sicherheitskräfte in Brandenburg besser aufgestellt als früher?
In Reaktion auf die Baseballschlägerjahre ist ja das Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg aufgelegt worden, das nicht nur die Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements, sondern eben auch die Repression von Extremismus im Fokus hat. Seit damals hat der Sicherheitsapparat, haben Polizei und Verfassungsschutz diese Gefahren stärker im Blick und funktionieren als verlässliche Partner der Zivilgesellschaft.
Die AfD, vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft, aber bei der Bundestagswahl stärkste Kraft im Land geworden, macht Stimmung gegen queere Menschen, will, an die Macht gelangt, alle Regenbogenflaggen im Land abhängen lassen. Sehen Sie einen Zusammenhang zu Anschlägen wie in Bad Freienwalde?
Die gesellschaftliche Stimmung hat sich tatsächlich verändert. Es gibt eine Polarisierung, allerdings nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Deutschland, auch europaweit. Wir haben eine Polarisierung, was diese Fragen angeht, was auch gleiche Rechte für queere Menschen betrifft. Diese Diskussion haben wir auch im politischen Raum und sie wird demokratisch beantwortet werden können.
Was kann das Programm „Tolerantes Brandenburg“ tun, was muss es mehr tun?
Wir leisten Unterstützung, besonders da, wo Menschen sich unter Druck oder bedroht fühlen. Wir beraten gemeinsam mit Kommunen, Sicherheitsbehörden und der Zivilgesellschaft, was getan werden kann. Auf CSD-Veranstaltungen sind wir häufiger als früher präsent. Seit es im vorigen Jahr Übergriffe in Oranienburg gegeben hat, haben wir das viel stärker als vorher im Blick.
Ist es nicht das völlig falsche Signal, wenn ausgerechnet jetzt bei Förderprogrammen für queere Initiativen gespart wird?
Die Haushaltsdiskussion läuft noch. Ich sehe nicht, dass im Rahmen des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ gekürzt wird. Was die Forderung nach gleichen Rechten queerer Menschen und ihrer Initiativen betrifft und deren Sicherheit, da wird es von unserer Seite keine Kürzungen geben.