Bildungsbaustein „Mädchen und Frauen in der extremen Rechten“
"Als im November 2011 der Öffentlichkeit offenbar wurde, dass eine Gruppe Neonazis unbehelligt über ein Jahrzehnt lang aus dem Untergrund heraus morden konnte und ihnen insgesamt, beim jetzigen Kenntnisstand, 10 Menschen zum Opfer gefallen sind und mindestens 23 weitere Menschen durch ihre Anschläge zum Teil schwer verletzt worden sind, war die Bestürzung groß. Betroffenheit herrschte im Gedenken an die neun Männer, die einzig und allein aus rassistischen Motiven getötet wurden und an die eine Frau, deren Tötungshintergrund bis heute unaufgeklärt ist.
Die Fassungslosigkeit über die Tatenlosigkeit staatlicher Behörden gegenüber rechtem Terror war die folgende nahezu gesamtgesellschaftliche Reaktion. Gelangten die Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ in den medialen Fokus so wurde häufig die Frage gestellt, wie aus diesen Menschen so „skrupellose Killer“ werden konnten.
Eine der drei Person erfuhr dabei besondere Aufmerksamkeit: die Neonazistin und Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Nicht nur, weil sie das einzige noch lebende Mitglied des NSU ist sondern auch, weil die Frage des „Killerwerdens“ bei ihr noch mehr Unverständnis hervorruft als bei ihren Mittätern Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos. Denn, wie der Name schon verrät, Beate Zschäpe ist eine Frau und damit eine weibliche Neonazistin.
Dies war und ist weiterhin schwer zu verdauen, denn in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung überwiegt ein Bild von der extremen Rechten, das sich insbesondere durch ein Merkmal auszeichnet: Männlichkeit. Verknüpft ist dieses Bild häufig mit einer ebenso attributierten Gewalttätigkeit, die dazu beiträgt, dass Frauen der extremen Rechten nicht zugerechnet und nicht als politisch handelnde Akteurinnen wahrgenommen werden – erst recht nicht, wenn es sich um rechtsextremen politischen Aktivismus handelt. Demgegenüber stehen jahrzehntelange Forschungsarbeiten und journalistische Recherchen, die ein gegenteiliges Bild zeichnen: davon, dass Mädchen und Frauen in nahezu allen Bereichen der extremen Rechten engagiert sind, dass sie Führungspositionen übernehmen, dass sie wichtiger Teil der parteipolitischen Arbeit sind und dass sie in ihrem beruflichen und sozialen Nahbereich häufig verdeckt politisch wirken und dadurch ungestört rassistisches, antisemitisches und rechtsextremes Gedankengut verbreiten.
Genau hier liegt das Problem, wenn Mädchen und Frauen nicht als aktiver Teil der extremen Rechten wahrgenommen werden: die von weiblichen Neonazis ausgehenden Gefahren werden übersehen und sie können unbehelligt politisch agitieren. Um dem zu begegnen ist es wichtig, sich mit der Präsenz von Mädchen und Frauen in der extremen Rechten auseinanderzusetzen. Ebenso wichtig ist, sie in Konzepten der Präventionsarbeit mitzudenken. Denn nur eine geschlechtersensible Prävention kann rechten Ausprägungen umfassend begegnen.
Der Fokus dieser Expertise liegt zunächst darauf, über Mädchen und Frauen in der extremen Rechten zu informieren. Dabei wird ihr Engagement sowohl auf quantitativer als auch auf inhaltlicher Ebene beleuchtet. Die von den Mädchen und Frauen gelebten Weiblichkeitsvorstellungen und die damit einhergehende Widersprüchlichkeit werden im Anschluss thematisiert.
Für gelingende Präventionsarbeit ist es wichtig zu verstehen, warum sich Mädchen und Frauen der extremen Rechten zuwenden – und auch wieder abwenden. Daher wird ein kurzer Einblick in den diesbezüglichen Forschungsstand gegeben. Für die Herstellungen eines regionalen Bezuges wirft die Expertise auch einen Blick in die Hamburger Neonazi-Szene und die in ihr aktiven weiblichen Aktivistinnen.
Abschließend finden sich Anregungen, wie zu dem Themenkomplex „extrem rechte Mädchen und Frauen“ in der pädagogischen Praxis gearbeitet werden kann."
Einleitung der Broschüre.
Die Broschüre kann über folgenden Link als PDF-Datei herruntergeladen werden:
http://hamburg.arbeitundleben.de/img/daten/D205607720.pdf