Woidke: Verwirraktionen der "Reichsbürger-Szene" dürfen nicht unterschätzt werden
Potsdam – Sogenannte „Reichsbürger“ sind im vergangenen Jahr auch in Brandenburg vermehrt mit Aktivitäten aufgefallen. Innenminister Dietmar Woidke erklärt dazu in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage Folgendes:
„Im Jahr 2012 haben sich in unserem Land und in anderen Bundesländern Fälle gehäuft, in denen öffentliche Einrichtungen von sog. „Selbstverwaltungen“, „Exilregierungen“ oder „kommissarischen Reichsregierungen“ in pseudojuristischer Diktion angeschrieben und zur Rücknahme von behördlichen Maßnahmen, Bescheiden oder Ähnlichem gedrängt wurden.
Nicht selten wurde dabei auch mit rechtlichen oder sonstigen Konsequenzen gedroht. Der „Markt“ an sogenannten „Reichsregierungen“ und ähnlichem ist nahezu unüberschaubar und äußerst diffus. Hinter solchen Bezeichnungen können sowohl Einzelpersonen als auch Personenzusammenschlüsse, Querulanten oder aber Rechtsextremisten, selbsternannte „Idealisten“ sowie Menschen mit finanziellen Problemen oder – genau das Gegenteil - finanzieller Gewinnabsicht stehen.
„Reichsbürger“ wollen Verwirrung stiften
Sie verfolgen das Ziel, Verwirrung zu stiften, um staatliche Stellen vom rechtlich gebotenen Handeln abzulenken. Wenngleich nicht alle Akteure dieser Szene Rechtsextremisten sind, so ist dennoch bisweilen eine große ideologische Nähe zum Rechtsextremismus offensichtlich.
Das Ministerium des Innern hat auf den gestiegenen Beratungsbedarf in Brandenburg reagiert:
- Die Abteilung Verfassungsschutz ist im letzten Jahr mit mehrerenInformationsveranstaltungen gegen zunehmende Aktivitäten sogenannter „Reichsbürger" vorgegangen. Mitveranstalter waren die kommunalen Spitzenverbände.
Bei den drei jeweils eintägigen Treffen in Oranienburg, Potsdam und Frankfurt (Oder) wurden Hintergrundinformationen zum Agieren selbsternannter „Reichsbürger" und „Reichsregierungen" vermittelt sowie Hinweise zum konsequenten Umgang gegeben. Daran nahmen rund 220 Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen und Polizisten teil. Die Veranstaltungen wurden vom Landkreis Potsdam-Mittelmark, der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg sowie der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) durch fachkundige Referenten unterstützt. Weil die Nachfrage groß ist, ist auch für dieses Jahr eine weitereInformationsveranstaltung geplant.
Verfassungsschutz informiert über Szene-Hintergrund
- Auf der Internetseite des Verfassungsschutzes finden sich Hintergrundinformationen und Verhaltensgrundsätze zum Umgang mit sogenannten „Reichsbürgern“.
- Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2012 wird sich ebenfalls dem Thema widmen. Ergänzend wird der Verfassungsschutz eine Kurzinformation zu diesem Phänomen herausgeben.
- Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr bereits viele Kommunen telefonisch von den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes beraten.
Dieser Service besteht natürlich weiterhin. Auch die Kommunalabteilung meines Hauses hat in den letzten Jahren den Kommunalbediensteten in diesen Angelegenheiten Hilfestellung gegeben.
- Mittlerweile nehmen sich auch die ersten kommunalen Fachzeitschriften des Themas an und geben Tipps im Umgang mit sogenannten „Reichsbürgern“.
Pseudojuristische Ergüsse ohne jede Grundlage
Ich warne vor einer Unterschätzung derartiger Verwirraktionen, rate jedoch zur Gelassenheit. Die pseudojuristischen Ergüsse dieser Szene entbehren jeder Grundlage. In jedem Fall sollten die Absender aus dem „Reichsbürger-Lager" spüren, dass Behörden und Verwaltungen vorbereitet sind.
Für den Fall,
dass Verwaltungsbehörden Schriftsätze erhalten, in denen sich jemand mit den typischen Einlassungen gegen Ihre Maßnahmen wendet, dass gegen Mitarbeiter Urteile oder Strafbefehle von selbst ernannten Reichsrichtern erlassen werden, dass jemand seinen Personalausweis zurückgeben möchte oder, dass jemand auf amtlichen Dokumenten andere als die vorgesehenen Symbole verwenden möchte, empfiehlt das Ministerium des Innern auf seiner Internetseite folgende Vorgehensweise:
Verhaltenstipps auch im Internet
- Soweit lediglich Erklärungen oder Proklamationen zugeleitet werden, sollte auf diese nicht reagiert werden.
- Sofern konkrete Anträge gestellt werden, sollte darauf eine kurze schriftliche Antwort erfolgen. Die Praxis hat gezeigt, dass Erläuterungen der Rechtsfragen die Antragsteller in der Regel nicht überzeugen und zu weiteren Schreiben führen.
- Soweit das Verhalten eine Ordnungswidrigkeit darstellt oder eine vollstreckbare Pflicht betroffen ist (z. B. Weigerung der Entrichtung von Gebühren und Steuern, Verletzung der Ausweispflicht), sollte die Möglichkeit der Ahndung durch Verhängung eines Bußgeldes und die Vollstreckung im Verwaltungswege konsequent ausgenutzt werden.
- Strafrechtlich relevantes Verhalten (Urkundenfälschung, Amtsanmaßung, Betrug) sollte unverzüglich bei den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden.
- Schreiben mit augenscheinlich rechtsextremistischen Inhalten sollten dem Verfassungsschutz zugeleitet werden.
- Im Zweifelsfall sollten sich Betroffene an die örtliche Polizeidienststelle oder an den Verfassungsschutz wenden.“
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