Demokratische Rechte auch für Demokratiefeinde? - Der Rechtsstaat zwischen Neutralitätspflicht und öffentlicher Erwartung
"... die massiven Auseinandersetzungen am 13. und 19. Februar 2011 in Dresden haben die Bürgerinnen und Bürger schockiert und aufgewühlt. Extremisten beider politischer Lager haben Polizeibeamte attackiert, zum Teil mit Pyrotechnik, Steinen und Stöcken. Mehr als hundert Polizeibeamte wurden im Einsatz verletzt. Außerdem gab es eine Vielzahl von Sachbeschädigungen. Gewalttätige Demonstranten haben Pflastersteine geworfen, Fahrzeuge, Straßenschilder und Müllcontainer beschädigt, teilweise angezündet. Unerträgliche und inakzeptable Zustände, die nicht nur die Dresdner bedrücken. Auch wenn es daneben beeindruckende Mahnwachen vor Kirchen und der Synagoge und andere Formen friedlichen Protestes gab: Im Gedächtnis bleiben vor allem die negativen Bilder.
Es ist zu befürchten, dass Dresden im Februar 2012 vor einer ähnlichen Situation steht. Schon seit längerer Zeit liegen wieder Anmeldungen des rechten Spektrums vor. Aber auch in anderen sächsischen Städten, beispielsweise Leipzig oder Chemnitz, finden regelmäßig derartige Versammlungen mit entsprechenden Gegenreaktionen statt. Gewalttätige Konfliktlagen sind auch keine sächsische Besonderheit. Berlin kämpft alljährlich mit der „Revolutionären 1.-Mai- Demo“ und Hamburg mit den Randalen im Schanzenviertel.
Im Nachgang der Ereignisse vom Februar wurde deutlich, dass erheblicher Gesprächsbedarf über den Umgang mit extremistischen Versammlungen besteht. Deshalb hatte ich für den 20. Mai 2011 zu einem Symposium zum Thema „Demokratische Rechte auch für Demokratiefeinde? Der Rechtsstaat zwischen Neutralitätspflicht und öffentlicher Erwartung“ eingeladen, das Ansätze diskutieren sollte, wie unsere Gesellschaft mit diesem Problem in Zukunft umgehen kann. Die Wortbeiträge dieses Symposiums liegen mit diesem Band in stark gekürzter Form vor. Der erste Teil der Podiumsdiskussion fragte nach den rechtlichen Rahmenbedingungen von Versammlungen. Was bedeutet Versammlungsfreiheit? Ist Versammlungsfreiheit schrankenlos? Im Vordergrund des zweiten Teils des Symposiums stand die Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit den Zumutungen von Rechts und Links. Welche Rolle kann die Zivilgesellschaft übernehmen? Wie kann bürgerlicher Protest aussehen? Wie kann friedliches Gedenken aussehen? Wie kann sichergestellt werden, dass es am Rande von Demonstrationen nicht zu Gewalt kommt? Wie können wir mit Extremisten umgehen, die unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts einzig auf Gewalt aus sind?
Ziel des Symposiums war es, Impulse für den künftigen Umgang mit Demonstrationen von Extremisten zu geben. Auf manche Fragen haben wir Antworten erhalten und daraus Handlungsansätze formuliert, andere Fragen sind offen geblieben.
Das Symposium hat gezeigt, was durch Professor Donsbach auch empirisch belegt worden ist: Es gibt einen Konsens der Demokraten, Verantwortung zu übernehmen und den rechtsextremistischen Demonstrationen entschieden entgegen zu treten. Alle demokratischen Kräfte sind bereit, parteipolitische Interessen bei diesem ideellen Bündnis außen vor zu lassen. Das bedeutet auch den Verzicht auf Zugehörigkeitssymbole, Fahnen und dergleichen. Die Tage rund um den 13. Februar und die Symbolik dieser Tage gehören zurück in die Mitte der Gesellschaft. Ich hoffe, dass darüber hinaus das Signal an die Dresdner und Dresdnerinnen ausgegangen ist: Es kommt auf jeden Einzelnen an, sich klar zu positionieren. Im Februar nächsten Jahres, aber auch in den Begegnungen des Alltags.
Die zahlreichen Rückmeldungen nach der Veranstaltung haben mir Mut gemacht. Viele Prominente haben angeboten, sich zu engagieren. Neben Prof. Ludwig Güttler haben auch Tom Pauls, Jan Vogler, Prof. Dr. Thomas Bürger und Andreas Ritter gesagt: Wir sind bereit. Ich hoffe, dass sich gemeinsam mit diesen prominenten Dresdnern weitere Gespräche und Aktivitäten entfalten, damit im Februar nächsten Jahres für alle deutlich wird: Dresden steht geeint gegen die Zumutungen von Rechts und Links. Mögen die Denkanstöße dieses Symposiumsbands dazu eine Hilfestellung sein. ..."
Auszug aus dem Grußwort.
Das Buch ist unter folgendem Link als downloadbare PDF erhältlich:
http://www.smi.sachsen.de/download/SMI/Brosch_Symposium.pdf