Neue Bildungsansätze für die Einwanderergesellschaft

Der Aufsatzband bezieht sich auf Fragen der Bildungschancen von Zugewanderten in den ostdeutschen Bundesländern, stellt sich aber auch Problemen und Chancen der interkulturellen Öffnung einer Gesellschaft, die im Wesentlichen durch eine scheinbare "ethnische Homogenität" gekennzeichnet ist.

Aus der Einleitung

In den neuen Bundesländern haben Kinder mit Migrationshintergrund bessere Bildungserfolge als in den alten. Oft übertreffen sie sogar dabei die Kinder der alteingesessenen Bevölkerung. Was kann man daraus lernen? Sowohl die öffentliche als auch die wissenschaftliche Diskussion um eine Bildungspolitik für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund orientiert sich bisher fast ausschließlich an den niedrigen Bildungserfolgen von bestimmten Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Westen.(...)

Bildungsprozesse spielen sich im Dreieck zwischen Familie, Schule und sozialem Umfeld ab. Alle drei Bereiche beeinflussen den Bildungserfolg. Nimmt man die neuen Bundesländer und die guten Bildungserfolge, die in allen neuen Bundesländern in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund anzutreffen sind, als ein Beispiel, so lassen sich in allen drei Bereichen deutliche Unterschiede zu den alten Bundesländern feststellen, die sich auf den Bildungserfolg auswirken. Durch die hohen Qualifikationen der Elterngeneration und ihre spezifischen Herkunftsländer - mit oft positivem Bezug auf kulturelle und Bildungstraditionen - wachsen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in den neuen Ländern häufig mit einem anderen familiären Umfeld auf als in den alten Bundesländern. Aufgrund der Geschichte sind die äußeren Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche in den neuen Bundesländern ebenfalls differenziert zu sehen: Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit prägen nicht nur das Umfeld der Eltern, sondern auch das der Kinder. Aber auch hinsichtlich der vorschulischen und schulischen Bedingungen finden wir Unterschiede. So ist nach wie vor eine flächendeckende Ausstattung mit Kindertagesstätten gesichert, und aufgrund der demographischen Entwicklung und Abwanderung gibt es eher kleine Klassengrößen in den Schulen. Und natürlich spielt die Qualifikation der Pädagoginnen und Pädagogen für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine wichtige Rolle - ebenso wie Prozesse der interkulturellen Öffnung. All dies muss berücksichtigt werden, will man Bildungsprozesse für Zugewanderte differenziert analysieren. (...)

Interkulturelles Lernen steht in den östlichen Bundesländern vor besonderen Herausforderungen, die auf der spezifischen Rezeption von Migration und Integration in den betreffenden Regionen beruhen. Die Besonderheit der Herausforderungen begründet sich u.a. mit der nach wie vor hohen Zahl der fremdenfeindlichen Übergriffen im Ländervergleich. Hier wird dem Interkulturellen Lernen die Aufgabe zugeschrieben, fremdenfeindliche Einstellungen und damit eine spezifische Form rechtsextremer Gewalttaten zu verringern. Staatliche (Bildungs-) Programme und gesellschaftliche Initiativen fördern und nutzen Methoden und Modelle interkulturellen Lernens, um Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt zu begegnen. Der Blick auf diese Aktivitäten zeigt - wie bei vielen anderen Themen und Programmen - einerseits gute und andererseits bestenfalls gut gemeinte Beispiele, die nicht selten die durch Initiativen, Vereine und Verbände behaupteten „nachhaltigen“ Ergebnisse nicht erbringen. Auch die besten Programme und Angebote zur Förderung interkultureller Kompetenzen treffen regelmäßig auf Abnehmerinnen und Abnehmer, für die interkulturelle Kompetenz keineswegs als Schlüsselkompetenz gilt, sondern mit der interessanten Bemerkung kommentiert wird, dass ja aufgrund fehlender Ausländer erstens kein Bedarf nach interkultureller Kompetenz bestehe und damit zweitens interkulturelle Konflikte gar keine Rolle spielen, da es ja keinen Kontakte und damit keine Probleme gebe. An dieser Rezeption sind staatliche Programme und gesellschaftliche Initiativen nicht unbeteiligt. (...)


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